Langsam aber zielsicher tuckert die Fähre zur gerade mal einen Quadratkilometer großen Insel, die mich mit ihrer ganz eigenen wohltuenden Idylle völlig bezaubert. Quickende Seemöwen begrüßen hoch oben in der Luft, die Sonne glänzt in purer Anwesenheit, auf den zahlreichen Felsen biegen sich die Blumen sanft in den leichten Windböen und alle Segelbote im kleinen Hafen sind stolz mit bunten Fahnen geschmückt: Ich bin angekommen! Auf Utö, einer seit 1540 besiedelten Insel in den finnischen Schären, und es wird Midsommar gefeiert – im Finnischen auch Juhannus gennant. Mittendrinnen, bin ich eine von rund 200 Urlaubern, die die Insulaner im Sommer auf die Zahl 400 steigern und ich bin glücklich, endlich, wie schön, das stand schon lange ganz oben auf meiner Wunschliste!
Das Leben hier ist unaufgeregter, abseits der urbanen Hektik angenehm ruhig, die Menschen geerdet, ganz mit der Natur verbunden, einfach authentisch, hilfsbereit und gastfreundlich. Natürlich bin ich sofort in die gelb- und rot-weißen Holzhäuser mit ihren Vogelhäusern und Blumenprachten verliebt, die mit ihrer puren Gemütlichkeit meine Eindrücke vom skandinavischen Lebensgefühl perfektionieren. Überall sieht man Angry Birds (den finnischen Entwicklern von Rovio Entertainment sei Dank, denn kein (großes) Kind scheint ohne auszukommen), wir genießen jede Menge Cidre, leckeren Fisch & selbstgebackenen Kuchen, lassen Drachen steigen, erkunden die Insel oder entspannten einfach mal beim Nichtstun – auch das will gelernt sein!
Irgendwie scheinen hier auf Utö banale Details sich so charmant ins Alltagsleben einzufügen und dadurch an Bedeutung zu gewinnen: So konnten mich ganz unverhofft einfache Illustrationen auf einem Becher mit selbstgemachtem Holunderblütensaft in weitere Glücksgefühle bringen. Doch mein größtes Highlight war das feucht-fröhliche Midsommar-Fest, dass all meine Erwartungen getroffen hat: Ein mit Flieder-Blumenkränzen und Birkenzweigen geschmückter Midsommarbaum wurde feierlich von starken Insulanern aufgebaut und dabei von der Rede eines sich selbst in einem rosafarbigen Hut zelebrierenden lustigen Inselbürgermeister begleitet, der die Sommersonnenwende und Feier schließlich einleitete.
Gekonnt und mit akribischer Feinheit designt mir Miro, der neujährige, finnische Neffe meines Mannes, einen Blumenring, ich bin ganz geschmeichelt und bin samt meinem floralen Maxidress nun bestens feierlich geschmückt. Die restlichen Kinder tanzen und springen ebenso fröhlich und glücklich umher, eigentlich genauso wie ich mich die ganze Zeit hier fühle.
Im Insel-Vereinshaus begeistert mich vor allem Mia aus Parainen, einer nicht allzu weit entfernten kleinen Stadt im Schärenmeer, die einen wunderschönen, selbstgemachten Blumenkranz im Haar trägt und einfach nur strahlt – und ich kann es mir nicht verkneifen, sie während einer Pause zwischen dem Singen von schwedischen und finnischen Volksliedern anzusprechen und, um ein paar Fotos zu bitten.
Die Stimmung gipfelt im Auftritt der lokalen (Boy)-Band, die vor allem mit englischsprachigen Evergreens die Bühne rocken: Bei „Who the Fuck is Alice“ wird noch verschämt gelacht, während „Unchange My Heart“ und der schwedische Hit von Tomas Ledin „Sommaren är Kort“ die nicht nur jungen, überwiegend Finnlandschwedinnen im Tanzsaal dem Jüngling und Leadsänger auf der Bühne noch heftiger entgegen schmachten lassen – „Der Sommer ist kurz“ ganz im Gegenteil: Hier auf Utö reichen ein paar Tage für pure Erholung im skandinavischen Lebensgefühl.
Glad Midsommar! Hyvää Juhannusta!
© Fotos Nina Bungers – all rights reserved.
5 Kommentare zu “Willkommen finnischer Midsommar!”