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Ich rieche noch heute die frischen Backwaren, schmecke den Deich- und Ziegenkäse, höre den Swing-Klang von jüdischen Komponisten der 20er und frühen 30er Jahre oder denke bei unseren Urachhaus Kinderbüchern an unseren Usedom Sommerurlaub zurück. Wir sind im Urlaub jeden Tag an diesem Ort gewesen. Friedrich wollte jeden Morgen beim Brötchen und noch mehr Leckereien Holen mit dabei sein. Auch nachmittags beim noch-ein-demeter-Eis-mehr-Schlemmen. Wir sind aber nicht die einzigen Fans “Wegen sehr hoher Nachfrage gibt es leider heute viele Lücken. Morgen früh ist alles wieder für Sie da” lese ich schmunzelnd auf einem handgeschriebenem Zettel. Es gibt so viele kleine charmante Details, die im digitalen Stresszeitalter verloren gehen und hier wie natürlich konserviert bleiben. Selbst das inflationär gebrauchte “Bio” wird noch mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft ernst genommen und mit ganzem Herzen gelebt und hergestellt. Im ganzen Produktionskreislauf.
Authentisch, kompetent, familiär und liebenswert
Der Bioladen und Biohof Grünfink im Dorf Quilitz auf Usedom ist nicht nur mit seinem Naturkostvollsortiment ein kleines feines Bio-Juwel und DIE Urlaubs-Überraschung für mich. Auch die Menschen dahinter sind besonders und tragen weltbewegende und mutige Familien-Geschichten mit sich. Der Besitzer Martin Schubert hat mich in Gesprächen vor Ort und im Interview danach nachhaltig nachdenklich gemacht. Deshalb widme ich ihm und seiner Familie diesen extra Reisebericht. Seine Frau und ihre gemeinsamen sieben Kinder habe ich zwar diesmal nicht kennen gelernt, sie können aber nur genauso bereichernde Persönlichkeiten sein wie Martin selbst. Mit Weltgeist, Weitsicht, einer im Einklang mit Natur und Tier gelebten Lebensphilosophie. Und dem Herz am rechten Fleck, bis über die idyllischen Ortsgrenzen von Quilitz hinaus.
Weitere leckere Eindrücke und ein Interview über das Bio-Paradies, eine Familie mit Courage, das echte Leben, die Schönheit der Natur, Usedom-Tipps für alle, Kinderliteratur, Musik, Anekdoten und Zukunftspläne folgen jetzt:
Naturkost für Usedom, die Welt und so vieles mehr
“Schon lange bevor unser Bioladen zum ersten mal seine Türen öffnete, gab es unseren Biohof!” schreibst Du auf Deiner Website. Wie kam es wann, warum und wie danach zur Gründung des Bioladens?
Der Hof wurde 2004 gegründet, der Laden 2011 eröffnet. Zunächst haben wir ganz klein angefangen, Gemüse angebaut und an Bioläden verkauft, dann ein paar Kälber angeschafft, später Kühe, nach und nach immer mehr Obstbäume gepflanzt, das Haus und den Laden selbst gebaut, ganz allein vom Fundament bis zum letzten Dachstein nur mit unseren Händen, Stück für Stück ging es voran.
Wer steckt hinter dem Bioladen? Du und Deine Frau? Seid ihr beide mit der Landwirtschaft groß geworden?
Ja, meine Frau und ich, meine Eltern helfen auch, wenn es nötig ist ;-). Nein, wir kommen nicht aus landwirtschaftlichen Familien. Ich stamme aus einer sehr naturwissenschaftlichen Familie. Mein Opa war Physiker an der Akademie der Wissenschaften in Berlin, mein Onkel Christoph Bandelow ein bekannter Mathematiker, mein Onkel Nils Bandelow ist Prof. für Innenpolitik. Mein Urgroßvater war Karli Bandelow, der 1954 in der DDR wegen Hochverrats hingerichtet wurde, weil er sich geweigert hatte Sprengkonstruktionen in Brücken zu planen. Er wurde wegen einer konstruierten Spionagegeschichte verurteilt und in Dresden hingerichtet.
Von daher lag uns die Landwirtschaft nicht in die Wiege gelegt, aber wir haben nachgedacht und denken, dass die biologische Landwirtschaft im 21. Jhd. einen wichtigen Weg in die Zukunft aufzeigt. Mein Urgroßvater war sicher ein der idealistischer Mensch, davon habe ich einiges abbekommen!
Welche Produkte erzeugt ihr selbst?
Unglaublich leckeren Honig, der immer schon nach einigen Wochen ausverkauft ist, weil die Leute ihn uns aus den Händen reißen. Wir machen Scheibenhonig, das ist ein sehr internsiver Honig in der Wabe in einem ganz zarten Jungfernwachs, das nur im 1. Jahr entsteht. Gibt es fast nirgends, weil es viel Aufwand ist, der sich aber lohnt.
Außerdem haben wir viel Obst (Johannisbeeren, Äpfel, Pflaumen, Kirschen, Mirabellen, Birnen und in ein paar Jahren Maulbeeren), woraus wir z.T. Saft machen.
Bis 2012 hatten wir auch eine große Schafherde vom Rauhwolligen Pommerschen Landschaft und einige Rinder. Die Tiere sind aber mitlerweile in einen befreundeten Betrieb übergegangen, die für uns die Haltung übernehmen. Wir lassen daraus dann in einer Biometzgerei hier in Vorpommern leckere Lammsalamis und Lammleberwurst herstellen.
Was gehört zu Eurem Biohof?
Wir haben selbst etwa 15 ha Grünland und Streuobstwiesen. 20 Bienenvölker und eben viele alte Obstsorten. Bei den Äpfeln z.B. Danziger Kant und Pommerschen Krummstiel, Vereinsdechantsbirnen usw. alles sehr alte Sorten mit hervoragendem Geschmack! Unser Partnerbetrieb hat noch etwa 100 Pommernschafe.
Mit wem arbeitet ihr regional zusammen? (Brötchen, Käse etc)
Oh, das sprengt den Rahmen. Wichtig sind neben unserem Partnerbetrieb für die Pommernschafe, die Inselkäserei in Welzin, die Manufaktur MariLädchen, die Teegenossenschaft Kräutergarten Pommernland, die Sanddornbauern aus Mecklenburg, und diverse andere Kleinbetriebe in Vorpommern, Mecklenburg und Brandenburg.
Kannst Du mir nochmals deine leckeren Käsesorten aufzählen?
Wir haben Jungen und Mittelalten Usedomer, Deich- und Hofkäse, Kleine Ziege, Capros von der Ziege, Friesisch Blue usw.
Wie wählt ihr internationale Bio-Produkte aus?
Wir haben einen sehr rennomierten Großhändler aus Berlin, der fast ausschließlich Verbandsware führt, also Bioprodukte, die zusätzlich international anerkannten Anbauverbänden angehören. Diese Anbauverbände sind viel strenger als die EG-ÖKO-Verordnung und regeln z.B. auch soziale Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz. Grundsätzlich nehmen wir immer zuerst Waren in DEMETER-Qualität. Nur wenn diese nicht verfügbar sind, weichen wir auf andere Anbauverbände aus. Wir sind überzeugt, dass biologisch-dynamische Lebensmittel die Besten sind, die man kaufen kann.
Welche Musik läuft bei Dir im Bioladen am Liebsten?
Ich habe immer, ganz bewußt und auch als versteckte Botschaft, Swingstücke aus den 20er und frühen 30er Jahren aus Deutschland laufen. Das ist zunächst sehr fröhliche, schöne Musik, die alle sehr schön finden. Die Komponisten sind aber alle jüdische Menschen gewesen, die alle vor den Nazis fliehen mussten und z.T. auch ermordet wurden. Manchmal, wenn Kunden mich danach fragen, was das für schöne Musik ist, erzähle ich davon. Ich möchte damit auch sensibilisieren, gerade auch hier in Vorpommern, was es schonmal für ein schönes, vielfältiges Leben in unserem Land gab, und wie grausam es ausgelöscht wurde. Mein Urgroßvater Karli Bandelow (siehe oben) hat unzählige jüdische Menschen mit anderen Freunden zusammen von 1933 bis ca. 1942 aus Deutschland herausgeschmuggelt, sie mit einem Netzwerk von Freunden versteckt und in die Schweiz und nach Österreich geschmuggelt. Er lebte in Magdeburg, das damals eine der größten jüdischen Gemeinden EUROPAS hatte. Von all dem ist nichts geblieben, wer es nicht herausgeschafft hat ging durch die Schornsteine der Vernichtungslager… Ich spiele z.B. auch Stücke von Willy Rosen.
Von Europa bis Asien: Wir sind nicht die einzigen Bioladen-Fans!
Gibt es eine unvergessliche Anekdote mit Kunden von Dir?
Oh, tausende! Viel sind so begeistert von dem Laden, das es mich wirklich rührt. Sprüche wie “das ist wirklich der schönste Bioladen, den ich je gesehen habe!” oder das fast schon obligatorische “darf ich ein Foto von Ihrem tollen Laden machen!” höre ich jeden Tag. Ich finde es immer sehr lustig, wenn Leute irgendwo in Europa von anderen unseren Laden empfohlen kriegen. Ich habe z.B. öfter Schweizer hier, die zuhause erzählt haben, dass sie auf Usedom Urlaub machen, und dann heißt es “Oh, da ist ein süßer Bioladen! Da MUSST Du hin!” – irgendwo in Bern oder sogar London oder sogar Japan (!) erzählen die Leute “da ist ein lustiger Laden, da musst Du hin”! Das macht mich schon stolz.
Stolz bin ich auch ein bißchen auf unsere Schaffelle. Ich habe schon Angehörige der deutschen Botschaft in China, Rußland und Japan damit beglückt, viele Fälle sind in die Schweiz, nach Norwegen, nach Argentinien, in die USA, Kanada und sogar nach Australien gegangen! Die Urlauber lieben die Felle und nehmen sie gerne als Andenken an die Heimat mit in ihre fernen Länder.
Im Bioladen findet man auch Kinderbücher vom Urachhaus oder Usedom Landkarten und Reiseliteratur – wie wählst Du die Kinderbücher aus?
Wir führen Kinderbücher und übrigens auch etwas Belletristik nur von den Verlagen Urachhaus und Freies Geistesleben! Wir haben selbst 7 Kinder und wissen daher wie schwer es ist gute, schöne Kinderbücher zu finden. Die beiden Verlage sind mit Daniela Drescher als neuzeitiger Illustratorin und z.B. Elsa Beskow mit ihren wunderbaren Werken aus dem frühen 20. Jhd. absolut positive Ausnahmen! Schön und liebvoll!
Wenn die Urlaubssaison vorbei ist, sind es die Insulaner, die Deine Zielgruppe sind und Regionales unterstützen?
Nein, mit denen ist kein Blumentopf zu gewinnen. Wir haben von Anfang Juni bis Mitte September geöffnet, dann ist Winterpause. Wenn keine Urlauber da sind ist die Nachfrage fast null. Es leben nicht mehr viele Menschen auf der Insel und die meisten sind sehr alt und haben sehr wenig Geld. Renten liegen hier oft zwischen 400-600 €/Monat
Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein!
Was sind Deine Usedom Geheimtipps, was sollte man hier nicht verpassen?
Der Lieper Winkel, in dem wir ja sind, ist auf jeden Fall eine Perle, die man genießen sollte. Gerade auch Ende August, Anfang September, wenn die Kraniche kommen und die ersten Wildgänse. Hier kann man wunderbar wandern und Rad fahren. Ohnehin ist mein Tipp immer: Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie wandern, abseits der Touristenströme der Hauptorte! Es gibt hier sehr viel weite ursprüngliche Natur, viele Seeadler, Biber, und eine einfach unfassbar schöne Natur unter einem der weitesten Himmel dieser Erde!
Hast Du besondere Tipps für Familien mit Kindern?
Hier im Lieper Winkel gibt es viele kleine friedliche Badebuchte, wo es keine Strömungen und keine großen Wellen gibt. Gerade mit kleineren Kindern ist das sehr schön. Ich denke, wenn man sich Zeit nimmt für die Kinder und sich auf eine schöne Wanderung begibt, ist das für die Kinder oft das Größte. Es braucht nicht viel um glücklich zu sein! Feinen Sand unter den Füßen, eine rauschende Weide im Rücken, ein paar Muscheln in der Hand und ein Blick auf ein Segelboot irgendwo weit draußen!
Wo kann man Dich & Deine Produkte ansonsten noch finden?
Nur vor Ort! Die Leute kommen zu mir! Ich sage immer “Gutes muss man suchen!”
Vielleicht noch eine kleine schöne Anekdote: Fast jeder, der in den Laden kommt, sagt: “Wie kommt man eigentlich auf die Idee hier am Ende der Welt einen Bioladen zu machen?” Und ich antworte dann immer: “Das ist nicht das Ende, das ist der Anfang!” Genau so fühlt man sich, wenn man hier seine Wurzeln hat und ich glaube viele, die hier waren haben nach einigen Tagen verstanden, was ich damit meine!
Hast Du bestimmte Zukunftspläne oder Wünsche für Deinen Bioladen?
Ich liebe meinen kleinen Laden so wie er ist! Vielleicht mache ich irgendwann einen kleinen Cafébereich, aber das hat Zeit. Ich freue mich, wenn Leute nach ein paar Jahren wiederkommen und sagen “der hat sich wirklich gehalten und sieht immer noch genauso schön aus, wie damals!”
Herzlichen Dank, lieber Martin. Auf ein Wiedersehen!
BIOLADEN GRÜNFINK
Naturkost für Usedom!
Dorfstr. 21 A
17406 Quilitz
info@bioladen-usedom.de
Öffnungszeiten: Juni bis September
6 Kommentare zu “Was ganz Besonderes: Der Bioladen und Biohof Grünfink im Dorf Quilitz auf Usedom”